Ein gelebtes Beispiel für Demokratie

Die Gefangenen-Bibliothek Bremen wurde heute (12. Januar 2017) mit dem
Bibliothekspreis der VGH-Stiftung 2016 ausgezeichnet. Die Jury des
Bibliotheks-Preises würdigt mit der Preisvergabe den Modell-Charakter der
Einrichtung: Sie ist deutschlandweit die einzige reguläre Zweigstelle einer
Stadtbibliothek hinter Gefängnismauern. Damit wird die Bremer Stadtbibliothek in
vorbildhafter Weise ihrer gesetzlich definierten Aufgabe gerecht, der Bevölkerung
einen ungehinderten Zugang zu Informationen und Teilhabe zu gewährleisten. Dass dies
auch für den inhaftierten Teil der Bevölkerung gilt, wird ausdrücklich in Art. 28
der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze bestätigt.

Bei der Preisvergabe am Donnerstag, den 12. Januar in der JVA, lobte Bürgermeister
und Kultursenator Dr. Carsten Sieling die Preisträger mit den Worten: „Der Zugang zu
kultureller und politischer Bildung hört in Bremen nicht an den Gefängnismauern auf.
Lesen ist ein Menschenrecht, welches hier seit vielen Jahren von zahlreichen
engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgesetzt wird. Dafür meinen
herzlichen Dank.“ Justizsenator Martin Günthner: „Wir sind froh und dankbar über den
hervorragenden Beitrag der Gefangenen-Bibliothek zur Integration durch Kultur und
Bildung, gerade auch unter den ganz besonderen Bedingungen und Aufgabenstellungen
des Strafvollzugs“.

Bibliotheksdirektorin Barbara Lison nahm den Preis von Frank Müller, Mitglied des
Vorstandes der VGH entgegen und bedankte sich: „Meine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter freuen sich über diese Anerkennung ihrer Arbeit und ihres Engagements.
Wir betrachten diesen Preis auch als Aufforderung, die Dienstleistungen dieser
Bibliothek kontinuierlich auf die aktuellen und zukünftigen Bedarfe
weiterzuentwickeln.“

Die Bremer Strafgefangenen können aus 8.000 Medieneinheiten in einem Freihandbereich
wählen, hinzu kommt der ungehinderte Zugang zum Verbund der Bremer Bibliotheken. Die
Jury zeigte sich insbesondere von der Nutzungsintensität der JVA-Bibliothek
beeindruckt: Bei 450 Haftplätzen verzeichnet sie jährlich an die 10.000 Besuche. Aus
Sicht der Jury beweist dies eindrucksvoll, welche bildungspolitischen Potentiale in
Bremen genutzt werden. Mit der Preisvergabe ist daher die Hoff-nung verbunden, dass
das Bremer Beispiel auch andernorts Aufmerksamkeit erfährt.

Dazu Henning Bleyl, Kulturredakteur der taz nord und Mitglied der Jury für den
Bibliothekspreis der VGH-Stiftung: „Gefängnis-Bibliotheken sind aus meiner Sicht als
‚Stiefkinder des öffentlichen Bibliothekswesens‘ zu bezeichnen – obwohl sie sich
einer Klientel widmen, für die das Lesen in einem sonst nirgendwo anzutreffenden Maß
über all jene Qualitäten verfügt, die ihm immer zugeschrieben wer-den: Lesen als
Selbstermächtigung. Lesen als Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Lesen als Flucht aus dem Alltag. Wenn Haftanstalten ‚geistige Freiräume‘ beherbergen
sollen, dann erfüllt die Gefängnisbibliothek diesen Anspruch in besonderem Maß.“

Die Jury lobte darüber hinaus die vorbildliche Zusammenarbeit von Justiz- und
Kulturressort, die das Bremer Modell ermöglicht. Während das Kulturessort als Träger
der Stadtbibliothek die Kosten für Fachpersonal und professionelle
Bibliotheksstrukturen übernimmt, ist Justiz für Sach- und Anschaffungskosten
zuständig. Auf diese Weise werden auch innerhalb des JVA qualifizierte Arbeitsplätze
geschaffen. Neben den hauptamtlichen Kräften arbeiten in der Anstalts-Bibliothek
drei Gefangene mit, ein weiterer aus dem U-Haft-Bereich.

Der Bibliothekspreis wird von der VGH-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem
Landesverband Niedersachsen e.V. im Deutschen Bibliotheksverband e.V. jährlich
vergeben. Der Preisträger wird auf Jury-Vorschlag benannt. Ausgezeichnet werden
Spitzenleistungen in unterschiedlichen Bereichen der Bibliotheksarbeit. Damit soll
die Bedeutung von Bibliotheken für die Gesellschaft hervorgehoben werden. Der
Bibliothekspreis der VGH-Stiftung ist mit 5.000 Euro dotiert, mit ihm sollen
Projekte der Bibliothek unterstützt werden. Im Jahr 2015 wurde die Stadtbibliothek
Osnabrück für ihr überzeugendes Konzept der Integration von Zuwanderern
ausgezeichnet.

Jurymitglieder 2016
Günter Bassen, Geschäftsführer der Büchereizentrale
Niedersachsen
Henning Bleyl, Journalist, taz nord 
Felicitas
Hundhausen, Direktorin der Universitätsbibliothek Osnabrück 
Ellen van
der Loos, Landesverband Niedersachsen e.V. im Deutschen Bibliotheksverband
Dr.
Sabine Schormann, Stiftungsdirektorin der VGH-Stiftung

12. Januar 2017